Tipp  28.01.2008

Scheinheilig: Russisches Roulette

Wenn sich Jungs finden, die sich dem Punk verschreiben und dabei auch noch Talent haben, dann ist der Ort selbigen Treffens eher nebensächlich. Dass es hier in der Steiermark krachte, ist keine Grenze für gute Musik. Und genau das haben wir gerade gehört.

Gute Musik ist eigentlich 'ein wenig' untertrieben. Denn 'Scheinheilig' ist nicht einfach nur Rockmusik. Scheinheilig spielt Punkt, singt deutsch, klingt international, ist erfolgreich. Eine Kombination, die ziemlich einzigartig sein dürfte, wenn man die steirischen Wurzeln dazurechnet.

Von der Band durften wir noch mehr erfahren, und weil es so schön ist geben wir das auch noch weiter, bevor wir wieder die Musik zu loben beginnen (das muss hier wirklich sein). Getroffen haben sich die Musiker in der 8. Klasse, geprobt haben sie im Musiksaal der Schule (es gibt scheinbar tatsächlich noch fördernde Ausbildung - auf Pisa wird ge...). Mit Punk-Biene-Maya und zwei Songs, die neben dem Album 2007 auch auf dem neuen Werk zu finden sind, ging es dann zur Live-Erfahrung - durch Zufall recht schnell vor zahlendem Publium. Die Leute werden gerne gezahlt haben, vermuten wir.

Scheinheilig hieß bis dahin Inckognito (weil man einmal vor einer Kirche spielen musste und der heutige Titel nicht so ganz gepasst hätte). Kompromisse müssen sein. Nicht bei der Musik, wo man den eigenen Stil in die Local-Heroes Bandwettbewerbe 2006 mitgenommen hat - bis zum Semifinale ging es dort dahin.

Russisches Roulette auf Tonträger

Genug Band-Geschichte, auch wenn sie noch so schön ist. Und damit wären wir wieder zurück bei der Musik. Einen wirklichen Anspieltipp kann man nicht geben, die einzelnen Songs sind durchwegs gut. Spaß macht Bärental und die Anspielungen (was untertrieben ist) auf einen gewissen Jörg.

Die flinke, melodische Punk-Musik kommt sehr stark daher. Andi (Gesang, Bass), Gerald (Gitarre, Gesang, Drehorgel!), Benni (Sinnloses - steht auf dem Cover, das wohl Schlagzeug meint) haben ihre Instrumente gut im Griff und wissen, zu akzentuieren. Langeweile kommt nicht auf, auch wenn ein Titel so benannt ist.

Die Wucht, das Unterscheidungsmerkmal, sind jedoch die unpeinlichen (uN, nicht uR!) Texte. Es gibt nicht viele, die es schaffen, Hochdeutsch zu singen und dabei nicht nach Künstlichem oder Schlager zu klingen. Und in der Muttersprache widerspricht es sich sichtlich besser, wenn man politische Statements oder gesellschaftliche Probleme aufgreift. Scheinheilig entlarven im Text, decken schonungslos offen auf, greifen an und nutzen geschickt verdichtete Ironie in den Texten - und das, ohne die punkig-leichte Art zu verlieren, die die Songs so kräftig schnell macht. Das ist Kunst!

Scheinheilig Website

Langer Rede kurzer Sinn: Wir geben hier einen eindeutigen Kauftipp ab. Diese junge Band aus Graz muss man hören, wird man lieben. Pflicht-CD für Punk und Rock-Fans, die auch ein wenig über unsere Gesellschaft nachdenken können wollen.


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