Review  06.08.2010

'Männer al dente' Filmkritik

Eine Geschichte über eine süditalienische Familie, in der es darum geht, mit alten Konventionen zu brechen und sich von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien, um endlich man selbst sein zu können.

Mit Witz und einem Hauch Melancholie wird auf subtile Art zu mehr Toleranz aufgefordert.

Aufgrund eines Familientreffens, bei dem unter anderem die Zukunft des Familienunternehmens besprochen werden soll, ist Tommaso (Riccardo Scamarcio), jüngster Sohn des Pastaproduzenten Vincenzo Cantone (Ennio Fantastichini), von Rom in seinen Heimatort Lecce gekommen. Der Zeitpunkt scheint günstig, vor versammelter Mannschaft endlich die Wahrheit zu verkünden. Tommaso will nicht länger vorgeben, jemand zu sein, der er nicht ist. Drei Lebenslügen schleppt er seit langer Zeit mit sich herum: Er studiert in Rom nicht BWL, sondern Literatur, möchte Schriftsteller werden und ist homosexuell.

In dem Wissen, dass sein Vater ihn aus dem Haus jagen wird und Tommaso somit auch nicht mehr in Frage kommt, das Familienunternehmen weiterzuführen – was ihm selbst nur sehr recht ist – nimmt er all seinen Mut zusammen. Doch gerade als er mit seinem Geständnis beginnen will, fällt ihm sein Bruder Antonio (Alessandro Preziosi) – als einziger eingeweiht in Tommasos Plan – ins Wort und verkündet seine eigene Homosexualität. Allerdings erleidet der Vater, nach vorhergesehener Reaktion, auch noch einen Herzinfarkt. Tommasos Chance scheint vertan, setzt doch Vincenzo nun alle Hoffnung auf ihn. Und in dessen derzeitigem Zustand, bringt es Tommaso nicht übers Herz, ihn auch noch mit seiner Wahrheit zu konfrontieren. Wohl oder übel kümmert er sich in der Abwesenheit seines Vaters und seines Bruder um das Unternehmen – doch auch sein Schweigen wird ein Ende haben.

Tabula Rasa

Mit Leichtigkeit kreiert 'Männer al Dente' das Bild einer südiatlienischen Familie, die zwischen Tradition und Modernität steht. Während es den Eltern darum geht, nach außen hin immer den Schein zu wahren, unangemessenes Verhalten im Geheimen zu praktizieren und nicht darüber zu sprechen, versuchen die Söhne endlich frei zu sein, indem sie reinen Tisch machen.

Trailer

Jeder in der Familie Cantone hat Geheimnisse. Vincenzo hat eine Affäre, vor der seine Frau Stefania (Lunetta Savino) die Augen verschließt. Seine Schwester Luciana (Elena Sofia Ricci) erlaubt ihrem Liebhaber sie nur nachts im Schutz der Dunkelheit in ihrem Zimmer zu besuchen und verkündet lauthals nach dessen Abschied, ein Einbrecher wäre bei ihr gewesen. Und auch die Großmutter (Ilaria Occhini) schleppte ihr Leben lang ein Geheimnis mit sich herum, heiratete sie doch nicht den Mann, den sie liebte, sondern dessen Bruder, nur um Tag für Tag mit dem Mann ihres Herzens gemeinsam in der Pastafabrik arbeiten zu können.

Im Gegensatz zu den Eltern, hat jedoch die Großmutter längst eingesehen, dass der Weg zum eigenen Glück über Ehrlichkeit und Offenheit führt. Während die Eltern Angst vor übler Nachrede haben, in diesem kleinen Ort, in dem der neuste Klatsch und Tratsch an der Tagesordnung steht, und alles versuchen, um das Coming Out ihres Sohnes Antonio zu vertuschen, ermutigt die Großmutter Tommaso, seinen eigenen Weg zu gehen.

Gesellschaftskritik mal anders

Die unterschwellige Kritik an der Gesellschaft ist durch den unbeschwerten Ton des Films kaum spürbar. Es wird niemand an den Pranger gestellt, sondern mit Klischees gespielt. Ironie und Komik verleihen dem ersten Thema eine angenehm leichte Atmosphäre. Dabei wird Homosexualität nicht als außergewöhnlich oder abnorm gehandelt. Denn das Problem, das die Eltern haben, ist nicht die sexuelle Neigung ihres Sohnes an sich, auch wenn sie im ersten Moment für Irritation und Schockzustand sorgt, sondern wie er damit umgeht.

Männer al dente - Filmbilder

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Antonio kann machen, was er möchte, solange er es nicht öffentlich tut und damit dem Ansehen der Familie schadet. Wenn man sich schon nicht an gesellschaftliche Normen hält, dann wenigstens in aller Stille – so wie es auch der Vater und die Tante tun, nur um nicht Gesprächthema Nummer Eins zu sein. Die Angst vor dem, was die Leute sagen könnten, ist so groß, dass man bereit ist, seinen Sohn – trotz aller Liebe zu ihm – wegzuschicken.

Offizielle Webseite

Womit das eigentliche Thema des Films in den Vordergrund gerückt wird, nämlich dass durch verpasste Chancen und verborgene Sehnsüchte zwar der äußere Schein gewahrt, aber das eigene Sein erschwert wird. Die Traurigkeit, die mit dieser Erkenntnis einhergeht, löst sich am Schluss jedoch in Wohlgefallen auf – denn was wäre eine Komödie ohne ein glückliches Ende.

Kinostart Österreich: 06. August 2010

Alexandra Cech / filmtauchgaenge.de | www


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