Prominente  06.09.2010

Natascha Kampusch im Rampenlicht

Das wieder aufflammende Medieninteresse um ihre Person bringt Natascha Kampusch in die Gefahr, lebenslang mit dem Geiselthema gebrandmarkt zu bleiben. Die Biografie 'Natascha Kampushc - 3096 Tage' hilft da auch nicht weiter.

Das betont die Linzer Psychiaterin Adelheid Kastner, ehemalige Gerichtsgutachterin im Amstettner Entführungsfall, im pressetext-Interview. Anlass dazu gab das Buch '3096 Tage', in dem Kampusch über ihre achtjährige Gefangenschaft berichtet. 'Eine Veröffentlichung kann zwar zur Bewältigung helfen, doch zu einem sehr hohen Preis. Denn es ist klar, dass man im Rampenlicht nicht nur wohlmeinendes Feedback bekommt', so die Expertin, die Kampusch persönlich nicht kennt. Das Buch erscheint im List-Verlag und ist ab Mittwoch erhältlich.

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Wenig zimperlich behandeln die anonymen Postings der Online-Medien Kampusch. Nach wie vor sind dabei alle Extreme zwischen mitfühlender Zuneigung und scharfer Ablehnung vertreten. 'Direkt nach der Flucht gab es einen überbordenden Medien-Hype sondergleichen. Es ist sehr fraglich, ob ein frühes öffentliche Interesse am Geschehen für die Betroffene sinnvoll oder jedoch eine Überforderung war', beobachtet die Expertin. Die Stimmen teilten sich mit der Zeit und wurden teils kritischer und aggressiver. 'Das deutet auf einen Ermüdungseffekt hin. Das Thema hat sich totgelaufen.'

Spannend ist in dieser Hinsicht die Frage, wie Betroffene mit diesen Rückmeldungen umgehen. Grundsätzlich bezeichnet es die Expertin als problematisch, wenn eine Person nur über die Medien einen Platz in einer nicht vertrauten Welt findet. 'Intensives Medieninteresse ist für manche Prominente wie eine Sucht. Lässt die öffentliche Liebe nach, verkraften sie das schlecht.' Für einen gesunden Umgang mit traumatischer Vergangenheit hält Kastner es für besser, mit zwei Beinen in der Realität zu stehen als die Identität allein über die Öffentlichkeit zu beziehen.

Bei den Entführungsopfern des 'Falles F.' in Amstetten ging man einen völlig anderen Weg - jenen der absoluten Anonymität. 'Es war die einzig mögliche Form, denn hier waren Kinder im Spiel, die von einer derartigen Situation besonders überfordert sind. Somit galt es, nicht nur das Interesse der Mutter zu berücksichtigen.' Die Strategie scheine bisher gut aufzugehen, berichtet die mit dem Fall betraute Expertin. 'Die Möglichkeit besteht für die Betroffenen ja auch noch nach zehn Jahren, an die Öffentlichkeit zu gehen und die Memoiren zu veröffentlichen.'

Grundsätzlich habe das Schreiben eine sehr positive, kathartische Funktion. 'Um beim Formulieren auf den Punkt zu kommen, muss man sich mit dem Erlebten intensiv auseinandersetzen, es differenziert betrachten und schließlich auch konkretisieren. Dabei wird manches klarer und löst sich. Das erlaubt, Schlimmes nicht nur nieder- sondern auch wegzuschreiben', so die Expertin. Ob diese Bewältigung auf Veröffentlichung und Verkauf angewiesen ist, sei eine andere Frage. 'Es können auch andere, absolut legitime Interessen im Spiel sein. Diese darf jeder haben', so die Psychiaterin.

Die Kampusch-Biografie, die in elf Ländern erscheinen soll, halten die österreichischen Medien für einen 'vorprogrammierten Bestseller'. Kastner ist skeptisch, obwohl sie die Gründe zu kennen glaubt, die Leser zum Buchkauf bewegen werden. 'Eine Portion Voyeurismus ist schon dabei. Man will sich gruseln und erfahren, wie schlecht es anderen geht um festzustellen, wie gut man es selbst hat. Eine künstliche Erregung ist durch so ein Buch schon möglich, echtes Mitleid wird aber eher selten zum Kauf anregen.'

pte


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