Aktuell  08.04.2012

Der Tod, Gott und die Welt

Der Gedanke an den eigenen Tod lässt Atheisten noch skeptischer über Gott und Religion denken, während sie sich jedoch unbewusst dem Glauben öffnen.

Das berichten neuseeländische, britische und deutsche Forscher im 'Journal of Experimental Social Psychology'. ''Im Schützengraben gibt es keine Atheisten', sagt ein Sprichwort. Vermutlich sind Atheisten hinsichtlich ihrer Glaubensansichten in todesnahen Situationen weit flexibler als im Alltag geäußert wird', sagt Studienautor Matthias Blümke, Sozialpsychologe an der Uni Heidelberg.

Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod ängstigt, da sie mit der verdrängten eigenen Sterblichkeit konfrontiert, erklärt der Forscher. 'Die meisten Menschen reagieren darauf, sehr allgemein gesagt, mit einer Suche nach Unsterblichkeit, indem sie sich mit der eigenen Gruppe, deren Werten und Weltsichten identifizieren und diese verteidigen. Symbolisches Weiterleben wirkt wie ein Angstpuffer.'

Sowohl Gläubige als auch Atheisten reagieren auf diese Weise, zeigten Experimente der Forscher mit 265 Studenten. Lässt man Gläubige über ihren eigenen Tod schreiben, stärkt dies ihren Glauben an Gott, während Atheisten bei derselben Aufgabe ihre Verneinung eines übernatürlichen Wesens bekräftigen. 'Auch der Gedanke, dass es nachher keine Hölle gibt vor der man sich ängstigen muss, kann Trost geben', erklärt Blümke. Zum Vergleich untersuchte man jeweils Personen, die dem Glauben zuneigten, sowie Atheisten, und ließ sie entweder Todesgedanken oder Texte über das Fernsehen niederschreiben.

Ein abweichendes Ergebnis zeigte sich allerdings, als die Forscher in Folgeexperimenten statt der bewussten die unbewusste Glaubenshaltung testeten. Dazu erhoben sie mittels neuerer Computermethoden die Reaktionszeit, in der die Probanden nach den Todesgedanken per Knopfdruck die spontane Glaubenshaltung ausdrückten - jene entweder der Existenz oder der Nicht-Existenz Gottes. Religiöse drückten hier die Taste deutlich schneller, während Atheisten stärker zögerten.

'Atheisten setzen sich im Angesicht des Todes stärker mit dem Konzept Gottes auseinander, als dies Religiöse mit dessen Nicht-Existenz tun. Scheinbar müssen sie mehr um ihre Weltsicht ringen', stellt der Forscher fest. Das Ergebnis sei zugleich auch ein Baustein für die Erklärung, warum Religion ein so hartnäckiger und weit verbreiteter Bestandteil der Gesellschaft ist.

pte/red


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