Aktuell  01.03.2013

Verleger versus Journalisten

Billigjournalismus und das Verschwinden echter innovativer Verleger wird als kritischer Faktor für die Zeitungen und Magazine gesehen. Qualität und Kreativität sind im Print-Bereich in der Krise.

'Zeitungen, die nicht spannend und nicht aufregend sind, können auf Dauer nicht mehr funktionieren.' Davon ist Hendrik Brandt, Chefredakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ), im Rahmen der von verdi in Hannover organisierten Diskussionsrunde 'Zukunft des Qualitätsjournalismus' überzeugt. Zusammen mit dem ehemaligen Chefredakteur der Frankfurter Rundschau (FR), Wolfgang Storz, und Ulrich Janßen von der Deutschen Journalisten-Union erörterten die Fachleute die Herausforderungen und Chancen der Printmedien von heute.

Die Qualität sinkt und sinkt kontinuierlich, beklagen Journalisten seit Längerem. 'So funktioniert es nicht mehr', so Storz vor rund 80 Journalisten und Medienmachern aus Niedersachsen. 'Das Netz raubt den (traditionellen) Medien die Macht.' Vereine und andere Interessengruppen müssten heute eben nicht mehr durch 'das Nadelöhr HAZ' gehen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. 'Was im Netz steht, darauf müssen wir als Tageszeitung natürlich heute reagieren', konstatiert Brandt zum Umgang seines Hauses mit den neuen Medien. Ordnung und Übersichtlichkeit zu schaffen, darin liege die größte aller Herausforderungen.

Storz hingegen beklagt das 'Wegsterben der alten Verleger', die über das wirtschaftliche hinaus noch ein publizistisches Interesse gehabt hätten: 'Es gibt kein ökonomisches Interesse der Verleger, in Innovationen zu gehen', lautet seine Einschätzung. Die aber genau brauche es, wollen sich Printmedien weiter behaupten wollen. Angesichts des Niederganges selbst renommierter Blätter wie El Pais, Le Monde oder Guardian müsse der Journalismus jetzt 'neu denken, wo er anfängt beziehungsweise wo er aufhört', weiß der ehemalige FR-Chefredakteur.

Auf die Frage, ob es überhaupt Marktwirtschaft auf dem Medienmarkt gibt beziehungsweise welche Aufgabe Medien haben sollten, sagt Brandt, dass ein 'interessegeleiteter Journalismus' nicht funktionieren kann. 'Ich sehe in Deutschland weit und breit keinen Versuch, der Krise mit Kreativität und Originalität zu begegnen', bedauert auch Rolf Nobel, Professor für Bildjournalismus in Hannover, die Situation in der bundesdeutschen Zeitungslandschaft. 'Unsere Nachbarn in Europa sind da viel weiter als wir', lobt HAZ-Leser Nobel etwa die in Amsterdam erscheinende Tageszeitung 'de Volkskrant' als mögliches Vorbild für deutsche Zeitungsmacher.

Dass die Sparsamkeit der Verlage zu weniger Qualität führt, wird nicht erst seit gestern beklagt. Kritisiert wurden immer wieder Arbeitsbedingungen von Journalisten. Diese sprechen angesichts des ökonomischen Drucks sogar von 'industriellen Fertigungsprozessen' und 'Legebatteriejournalismus'. Janßen kritisiert, dass in den Zeitunghäusern von Flensburg bis Garmisch gegen tarifvertragliche Regelungen, etwa bei der Arbeitszeit, regelmäßig verstoßen wird: 'Das ist tagtäglich der Normalfall', beklagt Janßen beispielsweise, dass freie Kollegen vielerorts noch immer nicht nach den Vergütungsregeln bezahlt werden.

pte/red


Weiter in der Web-Version mit Fotos, Videos, Links und mehr...

#Medien #Zeitungen #Magazine #Journalismus #Print #Krise #Verlag

Auch interessant!
Tipps: So gelingt die nächste Pressekonferenz
Wer eine Presseveranstaltung plant, sollte das Konzept, den Inhalt, den Termin und die mediale Umsetzung ...

Keine Cebit mehr
Die Messe rund um Computer und Co. in Hannover existiert nicht mehr. Rückgängiges Interesse zwingt die Ha...

Brand Journalismus und Corporate Imagery
Wo die meisten Aktivtäten des Content Marketing aus der Richtung der Onlinewerbenden kamen und kommen, ha...

Rotes Echo aus Wien
Wie die der Stadt Wien auch nicht gerade entfernte Zeitung 'Heute' meldet, wurde das Echo Medienhaus von ...

Guardian erfolgeicher
Das Zeitungshaus Guardian News & Media hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2012/2013 mit Stichtag 31. März ...

Random House und Penguin
Die beiden Verlagshäuser Bertelsmann und Pearson haben heute, Montag, die abschließenden Verträge zur Fus...

Empörung und Journalismus
Eine bessere und nach Möglichkeit internationale Aus- und Weiterbildung von Wirtschaftsjournalisten könnt...

Werbekrise noch nicht ausgestanden
Focus Research and Consulting hat heute, Mittwoch, in Wien das Werbebarometer für das erste Halbjahr 201...

Digitale Printprodukte keine Rettung
Zahlreiche Verlagshäuser und Medienmacher haben große Hoffnungen in den aufkeimenden Markt für E-Paper un...

Zeitungen in der Krise
Die Situation auf dem Zeitungsmarkt bleibt weiterhin angespannt. Vor allem in den USA und Großbritannien ...

Washington Post reduziert Aufwand
Die US-Traditionszeitung Washington Post hat mit einem kräftigen Tritt auf die Kostenbremse reagiert, um ...

Zeitungen verzichten auf eigene Inhalte
In den USA haben 49 Tageszeitungen, die meisten davon mit Auflagen von 100.000 Stück oder mehr, eine verl...

Qualität der Qualitätszeitungen
Was sich am Boulevard tut, ist schon kaum mehr zu kommentieren. Selbst medienkritische Blogs haben reihen...

Zeitungen sollen sich neu erfinden
Der 'Zeit Online'-Chefredakteur fordert Mut zu kreativen Ideen und appelliert an die Zeitungen in Österre...