Aktuell  07.08.2013

Medien im Umbruch

'Die alten Tage kommen nicht zurück' sinnierte Barack Obama über die Zeitungskrise in den USA und malte Journalisten ein düsteres Bild an die Wand. Tags darauf kaufte Amazons Jeff Bazos die Washington Post.

Dass Bezos in Print investiert, ist daraus weniger abzuleiten, als es vielleicht den Anschein hat. Bezos selbst hat die Lage der Zeitungen schon viel eindrücklicher beschrieben als Barack Obama es tat. Folglich werden die Druckmaschinen der Washington Post nicht ewig laufen.


Der Deal Jeff Bezos kaufte die Washington Post nach monatelanger geheimer Verhandlungen für 250 Mio. Dollar von der bisherigen Eigentümerfamilie Graham, die die Mehrheit hielt. Die Washington Post macht aktuell jährliche Verluste von 40 Mio. Dollar und stünde auch ohne den Verkauf vor gravierenden Einschnitten im Angebot und beim Personal. Digitalisierung wäre auch ohne Amazon im Hintergrund eine Denkvariante gewesen. Amazon ist übrigens um den Faktor 500 größer als die 'Post', Bezos kann hier gefahrlos auch einfach 'spielen'.

Was eine solche Zeitung unter Amazons Regie machen wird, scheint offensichtlich: Exklusiver Content für die hauseigenen Reader unter einer Traditionsmarke kurbelt die Geschäfte an und stärkt das Ökosystem Amazons gegenüber jenem von Apple und Google. Dass die Washington Post eine journalistische Rolle in der Gesellschaft spielt, ist nicht Teil dieser Idee.

Papier ist nicht Inhalt, es ist Trägermaterial. Die Zeitung funktioniert auch ohne Papier, hört man. Dass sich Amazon für eine Post-Druck-Ära rüstet ist verständlich und könnte mit großen US-Zeitungen vielleicht sogar funktionieren (auch wenn das Experiment bei Apple mit 'The Daily' scheiterte). Sehen wir uns die Medienlandschaft hier an, schwant einem Böses. Die Rolle als Aufdecker und Kontrollor, als Themensetter und Relevanz-Bewerter, als Überblick-Verschaffer und Lehrer hat die Zeitung hier schon lange aufgegeben. Am Tropf der Politik hängend ist die Abhängigkeit gewachsen, die Zeitung nicht äußerer Wachturm sondern Teil des Systems und der Macht. Sie ist verzichtbar.



Die Zukunft der 'Post' Außer einen kurzen Hinweis in der Washington Post selbst hat Jeff Bazos keine Informationen veröffentlicht, was er mit dem Investment gedenkt. Er wolle jedoch nicht in die Inhalte der Zeitung eingreifen und die Werte behalten, heißt es. Auch personell bleibt die Führung. An Innovationen darf es aber nicht mangeln, und einfach werde es nicht, wird innerhalb der Post aber kommentiert.

Amazon ist dabei aber nur ein Schwesterunternehmen der 'Post', Jeff Bazos hat die Zeitung privat gekauft. Eine Amazonisierung der Washington Post gilt aber als wahrscheinlich und auch bei der Infrastruktur wird Bezos wohl auf die Erfahrungen und Dienste von Amazon bauen.

Gekauft wurde übrigens nur die namensgebende Zeitung im Konzern, die anderen Unternehmen im bald umbenannten 'Washington Post'-Konglomerat blieben bestehen. Etwa 14% der Umsätze des Unternehmens stammen von der Zeitung, der Großteil im verbliebenen und nicht angetasteten Bereich stammt von Kaplan (Schulungsbetrieb), Cable One (TV-Netz), diversen Fernsehsendern und mehr. Bezos hat ausschließlich im alten Kerngeschäft der Zeitung investiert.

Mit Spannung darf man erste Richtungsentscheidungen von Bezos bei seinem neuen Spielzeug erwarten: So wird erwartet, dass der neue Eigentümer eine Linie im aktuell im Aufbau befindlichen Paywall-Betrieb für Paid Content der 'Post' vorgeben wird. Es gibt aber noch mehr grundlegende Richtungsweisungen, die der Zeitung bevorstehen und die Bezos einschätzen helfen lassen.


Und das macht es für unsere Print-Medien noch einen Deut schwerer als für die US-Vorbilder. Denn sie sind leichter ersetzbar, nehmen keine wahrnehmbaren relevanten Aufgaben mehr wahr. Solche Medienmarken haben nicht das Standing, im Spiel derer, die Papier durch Elektronik ersetzen, mitspielen zu können. Zumindest nicht im journalistischen Bereich - vielleicht auch ein Grund, warum die Medienhäuser sich immer mehr Richtung Kleinanzeigenbörsen und eCommerce-Unternehmen verwandeln...


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#Medien #USA #Washington Post #Amazon #Kindle

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