Medien-Essenz  08.02.2017

Demokratie, Freiheit und Journalismus

Demokratie braucht Freiheit und aktive Demokraten. Nur so können unsere demokratischen Gesellschaften die Herausforderungen meistern.

Weg von der Zuschauerdemokratie, hin zu mehr Engagement, mehr Teilhabe und mehr Eigenverantwortung. Das hat 'Die Presse'-Kolumnistin Anneliese Rohrer in ihrem Appell anlässlich der Programmvorstellung der Europäischen Toleranzgespräche 2017 in Wien gefordert, die sich mit dem Thema 'Zukunft der Freiheit' befassen. 'Demokratie ist kein abgeschlossener Zustand, sondern ein lebendiger Organismus, um den wir uns tagtäglich bemühen müssen', warnte die streitbare Journalistin vor neuen populistischen und autoritären Tendenzen.

Rohrer reagierte damit auf die provokante Fragestellung des Abends: 'Braucht Freiheit Demokratie?' Sie kritisierte das Konzept der illiberalen Demokratie und machte deutlich, dass man Demokratie und Freiheit nicht voneinander trennen könne. Dass man diese Frage heute überhaupt diskutiert, zeige schon wie ernst die Lage mittlerweile geworden sei. Rohrer zitierte eine Erhebung, der zufolge 21 Prozent aller Österreicher kein Problem mit einem 'starken Mann' hätten, der sich weder um Wahlen noch um das Parlament kümmern muss. 'Sollte es zu einem unglückseligen Zusammentreffen unterschiedlicher Faktoren kommen - wie etwa neue Wirtschaftskrise, Anstieg der Arbeitslosigkeit, akute Terrorbedrohung oder neue Flüchtlingsbewegungen - dann kann man annehmen, dass Österreich mehrheitlich Freiheit gegen Sicherheit eintauscht', gibt Rohrer zu bedenken.

Wo bleibt Europa?

Die einschneidenden Ereignisse der vergangenen Monate haben bereits Spuren hinterlassen und werfen viele neue Fragen auf. Das Jahr 2016 war zweifellos ein Umbruch, da es den Siegeszug der liberalen Demokratie erstmals seit 1989 unterbrochen hat, und das vielleicht nachhaltig. Einen Erklärungsversuch, wie es überhaupt so weit kommen konnte, lieferte der Politikwissenschaftler Vedran Dzihic. Er sprach von einer Verschiebung gesellschaftlicher Grundkonstanten und machte vor allem drei Gründe dafür aus.

'Die Europäische Union hat viel von ihrer Vorbildwirkung als positive, normierende Kraft, als starke politische Gemeinschaft, eingebüßt. Dies geht damit einher, dass der sozioökonomische Aufstieg immer schwieriger wird und die Politik es verabsäumt, die substantielle und strukturelle soziale Ungleichheit zu beseitigen', sagte Dzihic. Er machte dafür die neoliberale Politik der vergangenen Jahre verantwortlich. Als dritten wesentlichen Aspekt nannte der Politologe die zunehmende Verbreitung von Hass und Angst und die Hetze gegen die über viele Jahre praktizierte positive Politik gegenüber Zuwanderern. Angesichts dieser illiberalen Entwicklungen sei es wichtig, auf die Werte der Demokratie zu pochen und den Kampf um die Freiheit entschlossen zu führen.

pte/red


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