Aktuelles  08.04.2019

Diskriminierung per Facebook-Werbung

Bei Job- und Immobilienanzeigen diskriminiert Facebook ganz automatisch. Das hat eine auf 'arXiv' vorab veröffentlichte Studie von Forschern der Northeastern University, der University of Southern California und der Non-Profit-Organisation Upturn ergeben.

Selbst wenn Werbende mit ihren Targeting-Parametern eigentlich ein breites Publikum ansprechen wollen, scheint sich Facebooks Algorithmus bei der Schaltung an rassistischen und sexistischen Stereotypen zu orientieren.

Holzfäller sind weiße Männer, an der Supermarktkasse sitzen nur Frauen und Taxifahrer gehören sowieso Minderheiten an. Das sind klassische Stereotypen, die Facebooks Ad-Targeting offenbar ganz automatisch bedient. Denn wie die Forscher berichten, hat das soziale Netzwerk Anzeigen mit eigentlich gleich gewählten Targeting-Optionen in Tests extrem unterschiedlichen Nutzern angezeigt. Ein Job in der Holzindustrie wurde zu 72 Prozent Weißen vorgeschlagen, und neun von zehn waren dabei Männer. Eine Anzeige für Kassentätigkeit im Supermarkt dagegen bekamen zu 72 Prozent Frauen zu sehen und Jobs in der Taxibranche zu drei Vierteln Schwarze.

Dieser Unterschied scheint also am Inhalt der Anzeige zu liegen, sprich, dass der Algorithmus aufgrund von Textelementen wie der Jobbezeichnung oder Bildeigenschaften automatisch einen Rassen- oder Geschlechtsbias zeigt. Für Letzteres spricht auch, dass der Studie zufolge ein Wohnraumangebot automatisch seltener weißen Usern gezeigt wird, wenn einfach nur auf dem Foto eine farbige statt einer weißen Familie zu sehen ist. Doch auch das Werbebudget scheint eine Rolle zu spielen. Mehr Geld brachte in Versuchen einen höheren Frauenanteil im erreichten Publikum - über 55 Prozent bei sehr hohem Budget stehen unter 45 Prozent bei geringem Budget gegenüber.

Wenn Facebooks Werbe-Algorithmus tatsächlich automatisch diskriminiert, könnte das letztlich rechtliche Probleme bedeuten. Denn wie die Zeitschrift 'New York' betont, sind nicht-inklusive Stellen- und Immobilienanzeigen in den USA illegal. Für Facebook mag freilich ein andereres Problem viel unmittelbarer greifen. 'Unsere Ergebnisse zeigen zuvor unbekannte Mechanismen auf, die zu potenziell diskriminierender Werbeauslieferung führen können, selbst wenn Werbende ihre Targeting-Parameter gewählt haben, um hochinklusiv zu sein', schreiben die Forscher. Falls Werbetreibende ihre Interessen gefährdet sähen, könnte das die Werbeeinnahmen gefährden.

Betrug über Jahre

In den USA erzürnt eine groß angelegte Betrugskampagne mit gefälschter Werbung auf Facebook die Gemüter von Bürgern und Politikern. Online-Gauner haben es über ein Jahr lang geschafft, hunderte von Inseraten in dem sozialen Netzwerk zu platzieren, die Nutzer dazu aufriefen, Solarpanels zu installieren und dafür 'enorme Steuervergünstigungen' zu kassieren. Bei dem Schwindel ging es allerdings nur darum, an User-Daten heranzukommen. Facebook löschte die Scam-Ads erst, nachdem sich mehrere Politiker beschwerten, die in den Anzeigen zu sehen waren.

'Diese betrügerische Werbung verwendete Fotos von beinahe jedem US-Gouverneur - und manchmal sogar von Präsident Donald Trump - um zu behaupten, dass man mithilfe von neuen, lukrativen Steueranreizen tatsächlich Geld machen könnte, wenn man bei sich zuhause Solartechnologie installiert', schreibt 'Phys.org'. Dafür müssten die Nutzer lediglich ihre Adresse, ihren E-Mail-Kontakt und ihre Telefonnummer angeben. 'Wer das tat, wurde auf Webseiten weitergeleitet, die diese Infos sammeln und die Betroffenen damit zu leichten Opfern für künftige Betrügereien machen', heißt es.

Dass Facebook hunderte Scam-Ads über ein Jahr lang ungehindert auf dem eigenen Portal verbreitete, stößt bei Experten auf Unverständnis. 'Die ganze Sache zeigt einmal mehr, wie leicht es Internetbetrügern fällt, Menschen monatelang unentdeckt an der Nase herumzuführen. Sie wirft auch die Frage auf, ob große Tech-Firmen wie Facebook überhaupt in der Lage sind, irreführende Werbung zu kontrollieren', meint Young Mie Kim, Professorin an der School of Journalism and Mass Communication der University of Wisconsin-Madison.

'Diese betrügerischen Einschaltungen haben auf Facebook nichts verloren', so Facebook-Sprecherin Devon Kearns. 'Wirt haben diese Seiten und Anzeigen entfernt und werden auch in Zukunft weiterhin gegen solche Betrügereien vorgehen', verspricht sie und verweist darauf, dass das Portal auf einen automatisierten Prozess setze, um Bilder, Texte und die Positionierung von Werbung zu prüfen. 'User können es auch jederzeit melden, wenn sie glauben, dass Werbeanzeigen unsere Regeln verletzen', merkt Kearns an.

pte/red


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#Werbung #Studie #Facebook

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