Aktuelles  12.08.2020

Selbstzensur und Demokratie

Fast die Hälfte der US-Amerikaner zensiert sich selbst, sowohl online als auch in Familie und Freundeskreis.

Weil die USA in der Trump-Ära politisch massiv polarisiert sind, trauen sich viele nicht mehr ihre Meinung zu sagen, weil sie Hass und Mobbing von anderen Menschen befürchten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Washington University in St. Louis und der University of Chicago.

'Menschen verabscheuen die Ansichten und Werte von anderen. Für uns hat die öffentliche Meinungsäußerung einen hohen Preis und es lohnt sich kaum oder gar nicht', sagt Studienautor James L. Gibson von der Washington University in St. Louis. Ihm zufolge fürchten Amerikaner nicht nur den Hass von Fremden im Internet, sondern auch Isolation von ihren Freunden und Familien.

Die Forscher haben Daten des Meinungsforschungspanels AmeriSpeak der University of Chicago verwendet, das pro Jahr etwa 50.000 US-Amerikaner befragt. Etwa 40 Prozent wollen ihre Ansichten nicht mehr öffentlich kundgeben, sowohl in sozialen Medien als auch in ihrem persönlichen Umfeld. Vor allem Befragte mit einem höheren Bildungsgrad neigen zur Selbstzensur, 45 Prozent derer, die eine Universitätsausbildung haben, schweigen lieber, während nur 27 Prozent derjenigen ohne Schulabschluss das tun.

Stadtmenschen betreiben auch häufiger Selbstzensur (42 Prozent) als Personen vom Land (33 Prozent). Den Forschern zufolge ist die Angst vor der Meinungsäußerung heute höher denn je. Selbst in den 1950er-Jahren, als Amerikaner schnell als Kommunisten abgestempelt und verfolgt wurden, hatten laut einer Umfrage aus der damaligen Zeit nur 13,4 Prozent Angst davor, ihre Ansichten öffentlich zu machen.

Gibson sieht die Selbstzensur als eine massive Gefahr für die Demokratie. 'Menschen muss es erlaubt sein, ihre Meinung zu sagen, egal ob es der Regierung oder der Mehrheit ihrer Mitmenschen gefällt. Der Dialog erfordert aber auch den Willen, gegensätzliche Ansichten zu tolerieren sowie das Selbstvertrauen, sich zu äußern', so der Wissenschaftler. Er warnt vor einer Kultur, die stolz auf ihre Intoleranz ist.

pte/red


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